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Bratwurst, die keine "Bratwurst" ist

Was in Nürnberg noch "Bratwürstl" heißt, wird südlich der Donau "Schweinswürstl" genannt. Die Donau ist ja ohnehin der bekannte "Weißwurstäquator", der eine kulinarische Grenzscheide bedeutet. Nun ist es aber nicht von ungefähr, dass man im Altbayrischen nicht mehr von "Bratwürsten" spricht, wenn man gebratene Würste haben will. Denn da muss man "Schweinswürstl" verlangen, die immer nur paarweise auftreten und nicht wie noch in Nürnberg einzeln. Bratwürste sind nämlich hier ganz etwas anderes. Vor allem werden sie nicht gebraten, sie werden gesotten. Sie leiten sich überhaupt nicht vom Braten auf dem Rost oder in der Pfanne her, sondern vom "Brat" (mit hellem a wie in "Parade", das ja im altbayrischen Dialekt dem Hochdeutschen ae entspricht, so dass es schriftsprachlich das Brät und folglich auch die Brätwurst heißen müsste, was bei geschwollen sprechenden Metzgern vorkommen dürfte).

Was ist nun dieses Brat? Nichts anderes als die Wurstmasse. Die Benennung ist uralt, denn schon in einer Münchner Fleischordnung von 1529 findet sich "Pradtwurst allein von schweinen prät gemacht". Man sagt im Bayrischen noch heute für das Ausschlachten eines Tieres "Ausbraten" - was also nicht etwa etwas mit dem "Auslassen" von Fett zu tun hat - und der Schlegel, der zur Bearbeitung der Wurstmasse verwendet wurde, ehe man zum maschinellen Hacken und Klopfen überging, war der "Bratschlegel". Selbst wenn er nicht mehr gebraucht wird, so lebt er doch fort in der deftigen Redensart "jemanden etwas mit dem Bratschlegel ins Maul streichen", wenn man's ihm recht deutlich sagen will.

Früher konnte man in den zeitigen Morgenstunden das taktmäßige Klopfen der Bratschlegel hören. Denn es war nach dem Schlachttag - meistens Freitag früh - die erste Arbeit der Gesellen, das Brat fertig zu machen. In der Schweiz nannte man früher übrigens die Gesellen, die diese Arbeit verrichten, die "Brätschaffer".

Auch unsere bekannten "Frankfurter" hießen um 1900 noch "Bratwürste", selbst in den Aufschriften der Würstchendosen, obwohl schon 1858 George Hesekiel sie in seinen "Mitteilungen eines Gourmands" als "Würstchen" bezeichnet und der Freiherr von Reinsberg-Düringsfeld 1863 im 1. Band seiner "Internationalen Titulaturen" bündig feststellte: "Die ‚Frankfurter Würstchen' sind in ganz Deutschland beliebt." Auch diese "Frankfurter Bratwurst" wurde nicht gebraten, sondern geräuchert.

Erwähnt sei endlich, dass es in Magdeburg eine sogenannte "Berliner Bratwurst" gibt, eine herzhafte Dauerwurst in Kranzform, die ebenfalls mit einer zu bratenden Wurst gar nichts zu tun hat.

Anekdoten aus der Welt der Wurst